06.03.2002 - Ein Blick in die Kreisverwaltung - Der Pflegekinderdienst des Jugendamtes stellt sich vor Das Kernangebot des Jugendamtes ist die Beratung – und das in vielfältiger Hinsicht. „Gerade die erste Begegnung
zwischen Bürgerinnen, Bürgern und Fachkräften des Jugendamtes ist im erforderlichen Fall für den weiteren Hilfeprozess von großer Bedeutung“, schildert Jugendamtsleiter Frank Fahle. Das gilt auch für den Bereich Hilfe zur Erziehung
in Pflegefamilien, über den wir heute berichten wollen. Stellen Sie sich folgende Alltagssituation vor: Ihr Sohn hat einen Schulfreund, den er öfter nach der Schule mit zu Ihnen nach Hause bringt. Ihnen fällt auf, dass er
vernachlässigt und etwas unterernährt zu sein scheint. Was können Sie tun? Sie entscheiden sich mit den Eltern zu reden, doch nichts ändert sich, die Situation verschlechtert sich sogar. Schließlich wenden Sie sich an das
Jugendamt, damit die Lage des Kindes verbessert und der Familie geholfen wird. Das ist nur eine Möglichkeit, wie das Jugendamt von Fällen, wie dem oben beschriebenen erfährt, doch wie geht es jetzt weiter? „Wenn
Erzieher, Lehrer oder auch Nachbarn melden, dass ein Kind vernachlässigt oder schlecht behandelt wird, ist zunächst der Allgemeine Soziale Dienst des Jugendamtes dafür verantwortlich Lösungswege zu entwickeln“, erklärt
Sachgebietsleiterin Heidrun Pritzkow. Zu diesem Zweck werden dann sogenannte Hilfeplangespräche mit den Eltern und Kindern durchgeführt. An denen werden Fachkräfte wie Psychologen, Lehrer, Ärzte oder auch der Spezialdienst
„Pflegekinderwesen“ beteiligt. Auf diese Weise kann festgestellt werden, welche Unterstützungsmaßnahmen im jeweiligen Fall in Frage kommen. Stellt sich beispielsweise heraus, dass die Mutter alkoholkrank und deshalb nicht mehr in
der Lage ist, sich um ihren siebenjährigen Sohn zu kümmern, aber eine Unterbringung des Jungen beim Vater oder Verwandten nicht möglich ist, muss eine außerfamiliäre Betreuung gefunden werden. Dafür sind die zwei
Sozialarbeiterinnen des Pflegekinderdienstes zuständig. In dem angenommenen Fall zeigt sich die Mutter einsichtig. Sie hat sich aufgrund des Gespräches selbst zu einer Therapie entschieden und muss dazu einige Zeit ins
Krankenhaus. Während dessen kann sie nicht für ihr Kind sorgen und stimmt deshalb einer Unterbringung ihres Sohnes bei einer Pflegefamilie zu. Wäre die Mutter uneinsichtig geblieben, hätte die Unterbringung des Kindes nur aufgrund
eines vormundschaftsgerichtlichen Beschlusses erfolgen können. Die Pflegefamilie, in der das Kind nun untergebracht wird, muss schon bevor so ein Fall überhaupt eintritt, durch den Pflegekinderdienst ausgewählt, geprüft und in
Gesprächen vorbereitet worden sein. Bei der Auswahl der Pflegefamilie wird natürlich auch berücksichtigt, ob das Haustier des Jungen mit untergebracht werden kann und ob zum Beispiel eine Allergie gegen die Katze der Pflegeeltern
berücksichtig werden muss. Von Anfang an muss klar sein, wie lange das Kind in der Pflegefamilie leben wird, ob für einen festgelegten Zeitraum oder zunächst unbegrenzt. „Das Gesetz verweist ausdrücklich auf eine
Rückführung des Kindes in seine Ursprungsfamilie – das muss bei der Hilfeplanung also immer im Auge behalten werden“, erläutern die zuständigen Sozialarbeiterinnen Ewald und Hiller übereinstimmend. Für die Pflegeeltern ist das
besonders schwer. Ihre Arbeit kann man nicht hoch genug einschätzen - sie verdient höchsten Respekt. Sie haben eine Vorbildfunktion für das Kind, sollen ihm die Möglichkeit geben, neue Beziehungen zu knüpfen, oder überhaupt
erst zu erlernen, neue Beziehungsmuster auszuprägen. Oft braucht es viel Geduld mit dem Kind, allein einen geregelten Tagesablauf zu verinnerlichen. Dabei müssen die Pflegeeltern wissen, dass sie kein „eigenes Kind“ bekommen,
sondern es irgendwann wieder loslassen müssen. Während der ganzen Zeit sind – je nach dem Einzelfall – auch Besuchskontakte zu den Eltern oder anderen Bezugspersonen zu halten, zu entwickeln oder zu stabilisieren. Oft leiden die
Kinder unter Essstörungen, können keine engen Beziehungen aushalten, sind deshalb aggressiv oder kapseln sich ab. Zur gezielten Unterstützung müssen deshalb zum Teil Erziehungsberatungsstellen mit einbezogen werden.
2001 waren im Havelland 98 Kinder in 77 Pflegefamilien untergebracht, 7 Kinder konnten in ihre Herkunftsfamilien zurückgeführt werden. Der Pflegekinderdienst, der mit pädagogischen Fachkräften in Rathenow (Bettina Ewald) und in
Nauen (Erika Hiller) arbeitet, ist nur einer von mehreren Spezialdiensten des Jugendamtes. Darüber hinaus gehören zum Jugendamt die Jugendgerichtshilfe und der Allgemeine Soziale Dienst – der von jeweils 6 SozialarbeiterInnen in
Nauen bzw. in Rathenow wahrgenommen wird. In Premnitz, Friesack und Falkensee werden zudem von diesen zuständigen Sozialarbeiterinnen auch Außensprechstunden angeboten. Wie wir heute deutlich gemacht haben, geht
das Aufgabengebiet des Jugendamtes weit über seine Funktion als Eingriffsbehörde hinaus, auf das es leider allzu oft reduziert wird. Das Jugendamt des Landkreises Havelland befindet sich übrigens in Rathenow, Platz der
Freiheit 1 im Haus II. Die MitarbeiterInnen in Nauen finden Sie im Kreisgebäude des Landkreises in der Gothestr. 59-60, 3. Etage. Informationen und Hilfe bietet das Jugendamt jederzeit auch telefonisch und anonym unter
(03385) 551-2422, bzw. (03321) 403-5323 an. |